Was ist Euro Nymphing? Sandro Soldarini erklärt es!


Ein Gastbeitrag von Sandro Soldarini, übersetzt von Markus Heiss (c), auszugsweise und abgeändert in der Zeitschrift Fliegenfischen 6/15 erschienen

Euro Nymphing oder European Nymphing ist der neue Trend. In diesem Artikel erfährst du alles, was du wissen musst.

1. Rückblick: die Entwicklung des Euro Nymphings

Im letzten Jahrzehnt ist es beim Fliegenfischen mit der Nymphe zu beachtlichen Innovationen gekommen.  Sowohl in Bezug auf die Entwicklung verschiedener Nymphentechniken für unterschiedliche Situationen als auch was die Ausrüstung betrifft. Diese wurde immer spezifischer angepasst und gleichzeitig leistungsfähiger. Die Wiege der modernen Nymphentechniken ist Europa. Vor allem dank der osteuropäischen Länder hat das Nymphenfischen in den letzten Jahren einen regen Zulauf erfahren. Mittlerweile wird es nicht mehr nur als "Notlösung" gesehen, falls mit der Trockenfliege nichts läuft.

Dank der Innovationen aus dem Bereich der internationalen Wettkampf-Fliegenfischerszene entstanden in in Europa verschiedene Techniken zum Nymphenfischen. Dabei entwickelte jede Technik ihre eigenen Besonderheiten. Der Anspruch war aber immer derselbe: in der jeweiligen Situation am Gewässer möglichst effektiv zu sein. Anfangs wurde vor allem das Czech Nymphing als innovativste und populärste Technik angesehen - und oft genug dafür auch verdammt. Doch schon bald lief ihm die viel raffiniertere Technik des French Nymphing den Rang ab.

Diese beiden Techniken wurden nicht zuletzt dank der großen Rivalität innerhalb der internationalen Wettkampfszene bekannt. Denn sowohl Frankreich als auch Tschechien - beide gehören mit Abstand zu den besten Wettkampf-Fliegenfischernationen - belegten in den letzten Jahren immer die ersten Plätze der Weltrangliste. Und dies trotz der deutlich unterschiedlichen Techniken. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch Gemeinsamkeiten gäbe.

Beide Nationen verfügen über eine lange Tradition im Fliegenfischen mit der Nymphe. Und so verwundert es nicht, dass sich in beiden Ländern ein ganz eigenständiger Ansatz entwickelt hat. Sowohl was die Methodik anbelangt als auch in der Wahl der Ausrüstung  und nicht zuletzt der verwendeten Nymphen. Angetgrieben durch den ständigen Wettbewerb und den Drang, besser sein zu wollen als der andere hat man zusehends die Vorzüge der jeweils anderen Technik übernommen. So kam es zu einer Art Verschmelzung von Czech Nymphing und French Nymphing. Heute spricht man allgemein vom "Nymphenfischen mit dem langen Vorfach" oder "Euro Nymphing". Diese neue Technik zählt heute zu den dynamischsten und effektivsten der letzten beiden Jahrzehnte. Und sie entwickelt sich ständig weiter.

Sandro Soldarini beim European Nymphing in einem langsam fließenden Abschnitt der Ahr in Südtirol (2015)

Dominiert wird diese Technik durch den Einsatz von sehr langen Vorfächern. Sie sind zwischen 8-10 m lang, aus weichem Nylon mit sehr geringen Memory-Effekt. Die Nymphenfischer der französischen Schule nutzten immer schon 5-6 m langen Vorfächern. So kam die eigentliche Fliegenschnur während des Fischens so gut wie nie zum Einsatz. Auch reichte sie nur selten über den Spitzenring der Rute hinaus. Ganz ähnlich die Tschechische Schule, wo die Vorfachlänge allerdings nie 3 m überschritt. Dadruch bedingt konzentrierte sich die Fischerei sich praktisch nur auf den Bereich unter der Rutenspitze. Auch hier kam die Fliegenschnur ebenfalls so gut wie nie zum Einsatz.

Beide Techniken nutzten also nur das Vorfach und nicht die Fliegenschnur. Allerdings mit dem zentralen Unterschied, dass in unterschiedlicher Entfernung gefischt wurde:

  • French Nymphing konzentriert sich auf vergleichsweise kurze Driften von wenigen Metern. Diese sollten nicht zu verwechseln mit der eher langen Wurfdistanz verwechselt werden. Es wird widerholt und präzise geworfen. Gefischt wird oft mit nur einer Nymphe.
  • Czech Nymphing setzt auf lange Driften von ganz stromaufwärts bis ganz stromabwärts. Und dies trotz der geringeren Wurfdistanz. Zur Verwendung kommen nie weniger als zwei, wenn nicht drei Nymphen.

Tatsache ist, dass trotz der Unterschiede auch das French Nymphing, genauso wie das Czech Nymphing zu den kurzen Nymphenfischtechniken gezählt wird. Im Laufe der Zeit wurde der Aktionsradius beim French Nymphing dann auf 6-7 Meter ausgedehnt, was bei skeptischen Fischen ein bedeutender Vorteil ist.

Vor allem die Tatsache, dass in beiden Nationen zwei grundsätzlich verschiedene Gewässertypen zur Verfügung stehen, hat dazu geführt, dass sich zwei ähnliche und doch verschiedene Techniken entwickelt haben:

  • Die für das Czech Nymphing idealen Gewässer sind nicht glasklar, sondern leicht trüb, schnell und auch turbulent fließend. Zielfisch ist die Äsche.
  • Im Gegensatz dazu ist das ideale French Nymphing Gewässer glasklar, mit niedrigem Wasserstand. Die vorkommenden Forellen (und auch Äschen) sind dadurch äußerst scheu und vorsichtig.

2. Euro Nymphing im Detail

Dank des Generationswechsels in der Wettkampfszene sind beide Techniken mittlerweile zu einer verschmolzen. Mit dieser ist man in der Lage, sich beiden Situationen am Gewässer anzupassen: Euro Nymphing. Das Hauptmerkmal dieser Technik ist wie gesagt im Wesentlichen die Verwendung von:

  • langen Vorfächern,
  • einem gut sichtbaren "Indicator" aus 15-20 cm langem Monofilament (also nur ein meist fluofarbenes Stück Nylon). Wieso wir hier von "Indicator" also "Anzeiger" und nicht von "Bissanzeiger" sprechen, erfährst Du weiter unten.
  • sowie eine sehr leichte Ausrüstung.

Sandro Soldarini Euro Nymphing

Sandro Soldarini beim European Nymphing in einem langsam fließenden Abschnitt der Ahr in Südtirol (2015)

Sandro Soldarini European Nymphing

Sandro Soldarini beim European Nymphing in einem schnell fließenden Abschnitt der Ahr in Südtirol (2015)

2.1. Das lange Vorfach

Am häufigsten werden Vorfächer verwendet, die je nach Gewässertyp zwischen 4,5 und 10 m lang sind. Es gibt zwei verschiedene Profiltypen:

  • ein konisches Vorfach: so kannst du auch kleine Nymphen zielgenau auf kurze bis mittlere Distanzen zu präsentieren
  • ein sog. Level-Vorfach (wenig oder gar nicht verjüngt): unverzichtbar zum Fischen mit schweren Nymphen auf weite Distanzen

Auch die Farbe des Vorfachs ist von Bedeutung. Die Modelle in Signalfarben sind für große Flüsse zu empfehlen. Die tarnfarbenen bzw. transparenten Vorfächer für kleinere und schwierige Gewässer. Wichtig ist, wie bereits eingangs erwähnt, dass die Vorfächer aus sehr weichem Material bestehen und so wenig als möglich Memory-Effekt haben.

In kleinen Gewässern mit beengten Verhältnissen ist eine Vorfachlänge zwischen 4,50 und 6 m vollkommen ausreichend. In großen Flüssen können 8 bis 10 m durchaus sinnvoll sein. Entgegen der landläufigen Meinung wird bei dieser Technik oft auf lange Distanz gefischt. Die Herausforderung für den Fliegenfischer besteht darin, lange natürliche Driften zu meistern, ohne die Fliegenschnur zu verwenden. Diese Technik ist in flachen und schwierigen Gewässern ungemein effizient, kann aber mit der richtigen Geräteabstimmung in allen Gewässern sehr erfolgreich betrieben werden.

Verschiedene sehr lange Vorfächer, speziell für das Euro Nymphing

Verschiedene sehr lange Vorfächer zum European Nymphing

2.2. Der gut sichtbare "Indicator"

Ein wesentlicher Teil des richtigen Setups ist der "Indicator" aus farbigem Monofil. Dieser hilft uns, jederzeit den "Weg" der Nymphe zu verfolgen bzw. deren Position zu erahnen. Zudem zeigt er auch die vorsichtigsten Bisse zuverlässig an. Bei dieser Art mit der Nymphe zu fischen handelt es sich um eine Technik, bei der oftmals unsere Wahrnehmung den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht. Der "Indicator" ist demzufolge primär nicht dazu da, als "verlässlicher Anzeiger eines Bisses" zu dienen, wie es der klassische "Strike indicator" (Bissanzeiger) ist.

Vielmehr erlaubt uns der "Indicator", die komplette Drift so präzise als möglich zu kontrollieren und zu steuern. Denn der Indicator ermöglicht es uns, die Position der Nymphe sehr gut zu erahnen. Der "Indicator" ist im übertragenen Sinn das Sichtfenster in den Unterwasserbereich, das uns das "korrekte Manövrieren" der Nymphe ermöglicht.

Es gibt "Indicators" in unterschiedlichen Farben, auch zweifärbig, und grundsätzlich in drei unterschiedlichen Ausführungen:

  • als normales gefärbtes Monofilament von 15-20 cm Länge,
  • als spiralenförmig bzw. federartig verarbeitetes Monofilament,
  • mit sehr kleinen färbigen Harztropfen in Kügelchenform

Das einfache Stück farbiges Monofilament von 15-20cm Länge ist die einfachste, die am weitesten verbreitete und die für Einsteiger absolut ausreichende Variante.

Spiralenförmiger Indicator - Anzeiger aus zweifarbigem Monofil

Spiralförmiger Indicator aus zweifarbigem Monofil

Der wesentliche Unterschied dieser Nymphentechnik mit langem Vorfach liegt in der Tatsache, dass wir gleich mehrere schlagende Vorteile haben:

  • Jede einzelne Drift ist präziser & effektiver
  • Die Nymphen driften natürlicher ab
  • Der Hauptvorteil liegt aber darin, dass es praktisch kein Dreggen mehr gibt, das durch die Verwendung der Fliegenschnur verursacht würde. Durch das Fehlen der Reibung der Fliegenschnur können kleine Nymphen sehr effizient gefischt werden, da sie sehr schnell absinken. Es ist klar, dass wir beim Nymphenfischen mit dieser Technik die meiste Zeit nur das Vorfach, nicht aber die Fliegenschnur zwischen unseren Fingern halten werden.

Beim Euro Nymphing können wir sowohl mit schweren Nymphen in einem großen und tiefen Fluss, als auch mit kleinen Nymphen in seichten und schwierigen Gewässern erfolgreich fischen. Wenn dieses moderne Nymphenfischen richtig praktiziert wird, stellt es eine sehr ausgefeilte bzw. raffinierte Art dar, um die Fische mit der Nymphe zu überlisten - besonders auf mittlere bis lange Distanzen.

2.3. Die sehr leichte Ausrüstung

Um nur mit dem (langen) Vorfach fischen zu können, ist eine darauf abgestimmte Ausrüstung zwingend notwendig: vorzugsweise Fliegenruten mit parabolischer Aktion. 9 Fuß lange Ruten eignen sich dabei für kleinere Bäche. 10‘6 oder 11 Fuß lange Fliegenruten kommen an größeren Flüssen zum Einsatz. Wichtig ist es außerdem, Ruten für leichte Schnurklassen zu wählen, also von #2 bis #4. Nur mit dieser Art von Ruten kann man effektiv und präzise fischen, rein das Gewicht der Nymphe ausnützend. Die Verwendung einer schwereren Ausrüstung wäre aufgrund des sehr leichten Wurfgewichts extrem unpraktisch, wenn nicht unmöglich. Die weichen Ruten helfen, neben der Präzision im Wurf, um Fluchten von Forellen und Äschen am dünnen Vorfach optimal und kontrolliert zu bewältigen. Meiner Meinung nach ist eine 10 Fuß lange Rute der Schnurklasse # 3, mit parabolischer, mittelschneller Aktion, die vielseitigste Rute, um die meisten Situationen am Wasser effizient zu meistern.

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Wie bei allen anderen Techniken des Nymphenfischens sind die Genauigkeit und das korrekte Abdriften der Nymphe der Schlüssel zum Erfolg. Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass die Nymphe in derselben Geschwindigkeit wie die Strömung treiben soll. Wenn sie zu schnell unterwegs ist, bedeutet dies, dass sie nicht korrekt "arbeitet" bzw. zu hoch schwimmt. Umgekehrt, also wenn die Nymphe zu langsam driftet, wird sie sich nur allzu leicht am Gewässergrund verfangen und zugleich unnatürlich wirken.

Eine kurze Erwähnung zur Vorfachspitze ("Tip") scheint mir wichtig. Als Faustregel sollte der Abstand vom "Indicator" zur Nymphe ungefähr gleich groß bzw. größer als die Gewässertiefe sein, die wir "sondieren" möchten. Das bedeutet, dass sich der "Indicator" ungefähr an der Wasseroberfläche bzw. knapp darüber befindet.

Als Vorfachspitzenmaterial empfehle ich Fluorocarbon, besonders für dünne Vorfachstärken von 0,12 bis 0,14 mm. Dadurch sinken kleine Nymphen sehr schnell ab und bewegen sich natürlich. Insgesamt ist beim Nymphenfischen die Verwendung von Flurocarbon sehr anzuraten – erstens da es schneller sinkt als Nylon und zweitens da es beständiger gegen Abrieb ist, was besonders bei dünnen Vorfächern entscheidend ist!

In Bezug auf die Nymphen werden kleine Muster und "spärlich bekleidete" bevorzugt, da sie aufgrund des geringeren Widerstandes besser geeignet sind, schnell abzusinken. Normalerweise wird mit zwei künstlichen Nymphen gefischt. Für Gewässer, an denen höchste Wurfpräzision von Nöten ist, ist allerdings meistens eine einzige Nymphe vorzuziehen.

Äsche mit Perdigon-Nymphe

Äsche auf Pérdigon-Nymphe Hakengröße # 12 (ziemlich großer Haken für eine Pérdigon Nymphe)

Meist wird diese Technik stromaufwärts gefischt, vor allem an kleinen und mittleren Fließgewässern, während an großen Flüssen auch flussabwärts gefischt werden kann.

Ich bin mir sicher, dass auch Du mit ein wenig Geduld diese neue Art der Interpretation der Nymphenfischerei zu schätzen wissen wirst und sich mit ein wenig Übung Deine Fänge exponentiell erhöhen werden.

Sandro Soldarini


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Markus Heiss
Markus Heiss
Fliegenfischer
Job: Unternehmer
Hobbies: Fischen, Natur erleben, Berglauf
Durch seinen Vater schon im Kindesalter im Südtiroler Sarntal mit der Fischerei in Kontakt gekommen (natürlich als „Schwarzfischer“ wink), ist diese Leidenschaft nach der Pubertät wieder aufgeflammt, mit tollen Erfahrungen im Spinn- und Hegenefischen. Seit dem Jahr 2003 fischt Markus fast ausnahmslos nur noch mit der Fliege - so oft als möglich mit der Trockenen - und hat sein Hobby im Jahr 2008 zum Beruf gemacht, indem er diesen Shop gegründet hat und mit seiner Partnerin Petra führt. Markus ist auch sonst gerne mit seiner Familie in der Natur unterwegs und hat vor einigen Jahren den Reiz des Berglaufs für sich entdeckt.
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